Reise durch Israel und Besuch bei Yitro (Jethro) Jacobs in der Negev-Wüste
Einleitung Heimatverein Börger
Ende der 1700er Jahre etablierte sich auf dem Hümmling eine Gruppe jüdischer Viehhändler und Kaufleute. Zu ihnen gehörten u. a. die Familien Grünberg, Weinberg, Meyer, Rosenberg, de Vries, Frank und auch die Familie des Pferdehändlers und Schlächters Joseph Jacobs genannt Fiebelmann, der aus Haselünne zuzog (Ahnherr Fiebelmann stammt aus Haltern).
Die deutschen Familien jüdischen Glaubens wohnten in Sögel, Lathen und einzelne in Wahn, Werlte, Lorup und Börger. Kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes im Jahre 1854, kauften die Enkel des o. g. Josef Jacobs, David und Aaron, Häuser in Börger und gründeten hier Familien. Erik genannt Meyer Jacobs ist der zweitälteste Sohn der Familie David Jacobs und seiner Ehefrau Friederike geb. Frank in Börger Sie stammt aus Lathen, (Ahn Simon stammt aus Berge / OS).
Das Ehepaar hatte 9 Kinder. Sie kauften kurz nach 1850 den Hof des ehemaligen Vollerben Kossen. Erik gen. Meyer Jacobs und auch seine 8 Geschwister wurden in dem Haus geboren. Er erhielt eine gute Schulausbildung und erlernte den Beruf des Kaufmanns für Industriegüter in einem Handelshaus im Ruhrgebiet. Im Jahre 1891 heiratete er im Sauerland Emma geb. Weinberg und zog mit ihr nach Nuttlar. Kinder u. Enkel dieser Familie wurden von den Nationalsozialisten umgebracht und vertrieben. Nachkommen leben in Argentinien, Kanada, England, USA und Israel.
Die Unternehmung: von Gertrud Althoff, Münster
„Ich hatte von diesem Zweig der Jacobs-Familie erfahren, weil ich eine Postkarte von meiner Verwandtschaft aus Wesel in die Hände bekam. Diese Postkarte zeigte das Geschäft Jacobs in Nuttlar. Jemand hatte neben jedem Kind den Namen geschrieben. Nachfragen ergaben dann, das Nachkommen der Nuttlarer Familie in den USA und in Israel leben. Und nun wollte ich Yitro in Israel besuchen.“
Reise nach Nordisrael und in die Negev-Wüste
Wir starteten am 27. Sept. 2010. Nach Ankunft auf dem Flughafen in Petah Tikwa bei Tel Aviv fuhren wir erst nach Norden bis zu den Benediktinern in Tabgha am See Genezareth (Tiberias-See), von dort nach einen Aufenthalt in Nazareth über Afula bis hinunter in die Negev-Wüste. Dort im Kibbuz Alumim wollten wir unseren Bekannten Yitro Jacobs treffen.
Sein Großvater Meier Jacobs aus Börger hatte mit seiner Frau Emma geb. Weinberg aus Bigge-Siedlingshausen, im Sauerländischen Nuttlar ein Geschäft eröffnet. Yitros Vater Erich Jacobs, war am orthodoxen Lehrerseminar (JAWNE) in Köln ausgebildet worden und hatte eine Anstellung in Recklinghausen, als Yitro 1939 hier geboren wurde. Die Familie verließ in der NS-Zeit erst sehr spät am 08. September 1941 Deutschland. Über Barcelona, Lissabon und Havanna erreichte die junge Familie Washington/USA erst im Frühjahr 1946.
Wir fanden am Busbahnhof, der in Nazareth noch immer an der Hauptdurchgangsstraße liegt, einen Bus bis Afula. Der Busfahrer hatte uns schon sehr freundlich darauf aufmerksam gemacht, dass von dort ein Bus direkt bis Beer Scheva fahre, den wir auch ohne viel Zeitverzögerung fanden. So waren wir schon am Mittag in Beer Scheva, konnten nach Yitros Auskunft den Bus bis zum Kibbuz Sa’ad nehmen, wo er uns abholte.
Zum großen Ärger seines Vaters Erich Jacobs ist Yitro 1963 zusammen mit seiner amerikanischen Frau und dem ältesten Sohn nach Israel eingewandert und hat zuerst im religiösen Kibbutz Lavi in Galiläa gelebt, wo weitere fünf Kinder geboren sind, das letzte war behindert und ist inzwischen verstorben.
Seine jetzige Frau Sarah war mit ihren Eltern aus Polen gekommen und gehörte zu den Gründungsmitgliedern des religiösen Kibbuz Alumim in Nachbarschaft zum Gaza-Streifen. Sarahs Erster Mann war mit seinem Auto auf dem Weg zum Acker, als er auf eine palästinensische Mine fuhr und zerfetzt wurde. Wir haben die Schrottreste gesehen, auch sein Grab. Sarah, von Beruf Schneiderin, lebte 14 Jahre als Witwe mit ihren zwei Kindern im Kibbuz Alumim, ehe sie Yitro heiratete. Die beiden hatten dann noch zwei weitere gemeinsame Kinder.
Auch wir wurden übrigens nachts von Kassam-Raketen beschossen, woraufhin zwei Stunden lang Flugzeuge kreisten. Auf dem folgenden Bild sieht man unter einer Palme die Reste von Skat-Raketen, die vom Gaza-Streifen aus abgefeuert wurden.
Yitro Jacobs ist ein Vetter unseres Freundes und Verwandten Henry Silbermann in den USA. Er lebte in Baltimore im Bundesstaat Maryland und stammt aus Meppen / Ems. Yitros Großvater Meier Jacobs und Henrys Großmutter Auguste Rosenthal geb. Jacobs sind Geschwister aus Börger.
Am ersten Tag in Alumim nahmen wir an der Überführung einer gespendeten Tora-Rolle in die Synagoge teil.
Ein Kind war mit 6 Jahren gestorben, und sein Großvater, ein Toraschreiber, aber jetzt schon alt, hatte zur Ehre des Kindes diese Tora geschrieben. Dafür braucht man mindestens ein Jahr. Die Prozession ging vom Elternhaus des verstorbenen Kindes aus. In der Synagoge gab es eine kleine Feier. Alles war sehr ungezwungen und unkompliziert, wie ich von Orthodoxen gar nicht erwartet hatte.
Zum Beispiel tummelte sich ein Pulk von kleinen Mädchen auf der Bima (auf der die Tora ausgerollt wird) mitten im Raum, was niemanden störte. Die Frauenempore wurde nur genutzt, weil man von dort besser sehen und fotografieren konnte. Später versammelte der Schullehrer die Mädchen vorne unter dem Toraschrein zu einigen Chorliedern, die aber nicht besonders perfekt waren. Abends machte Sarah uns ein einfaches leckeres Essen in ihrem Haus, weil der große Speisesaal zur Feier benutzt wurde.
Yitro erklärte uns, dass von mehr als ca. 220 israelischen Kibbuzim nur 13 religiös orientiert seien. Auch seien die Kibbuzim nicht mehr so gemeinschaftlich/sozialistisch organisiert wie zu Anfang. Es gebe inzwischen sehr viel Privateigentum. Die Kinder würden tagsüber betreut, und waren abends und nachts im Elternhaus.
Das Leben im Kibbuz
Am nächsten Tag zeigte Yitro uns „seinen“ Kibbuz mit großer Freude und Genugtuung: Sarahs Schneiderei; die Küche für milchiges und fleischiges Essen mit getrenntem Geschirr und getrennten Spülmaschinen; die Traktoren – Reparaturwerkstatt, die Autowerkstatt, die alle auch von den Kibbuzim aus der Nachbarschaft genutzt wurden; den Kindergarten mit besonderen von der Regierung gebauten Sicherheitsvorkehrungen gegen Raketenbeschuss; die große Halle, in der die Möhren vom Feld gewaschen, sortiert und ein gebeutelt wurden; die Riesenkühlhallen sowohl für Gemüse vom Feld wie auch für die Küche; die Kuhställe für 200 Kühe, die Hühnerfarm für mehrere Zehntausend Hühner…
Yitro war der Älteste im Kibbuz und brauchte noch keine Pflege. Die stellte er sich so vor: „dass ein alter Mensch eine Wohnung erhielt, in der genügend (also 3 – Räume) waren, dass dort eine angeheuerte Thailänderin oder Philippinin wohnen könnte, die sich um die Alten oder den Alten kümmerte (offenbar Tag und Nacht, weshalb sie im Haus untergebracht werden sollte)“. Warum kam ihm nicht die Idee, dass ein Kibbuz doch (wie für die Kinder) ausgebildete Altenpflegerinnen als Fachkräfte eingesetzt würden?
Kaum war ich wieder in Münster, da las ich in der Zeitung, dass die Kinder solcher GastarbeiterInnen aus Afrika oder Asien, die israelische Kinderhorte besuchen und deshalb nur Ivrit sprechen, ausgewiesen werden sollen (es war von 2000 betroffenen die Rede), weil sie die jüdische Identität gefährden!! Tatsächlich fiel mir auf, wie viele asiatische und afrikanische Gesichter im Straßenbild in Israel zu sehen waren.
Wir hatten auch eine Tüte Milch im Kühlschrank unserer Gastwohnung vorgefunden. Einen Beutel Möhren schenkte uns Yitro dazu, den wir allerdings am nächsten Tag im Elternheim in Ramat haSharon einer Angestellten geschenkt haben, weil wir damit unser Gepäck (Rucksack) nicht belasten wollten. Am Nachmittag fuhr Yitro uns hinaus an die Gaza-Grenze. Dafür musste er mit dem PC ein Auto beantragen, das er dann nutzen konnte.
Wir fuhren auf einen nahe gelegenen Hügel. Von hier aus konnte man Gaza Stadt und Ashdot von weitem sehen. Auch den Friedhof des Kibbuz besuchten wir. Ein sehr großes Windspiel, das ebenfalls zum Gedenken an ein verstorbenes Kind angelegt war, fanden wir bei einem Wasserreservoir und einem Naturschutzgebiet für Wasservögel. Ein anderes Wasserreservoir der Regierung führte Yitro uns vor. Dessen Wände hatten dem Wasserdruck nachgegeben, so dass sich das Wasser über eine Siedlung in Gaza ergossen hatte.
Dort war dieses Unglück als Boshaftigkeit ausgelegt worden. Abends aßen wir mit Yitro im Speiseraum. Da Sarah morgens lange schlief, verabschiedeten wir uns von ihr jetzt schon. Danach fuhren beide in die nächste Stadt zu einem kostenlosen Computerkurs. Am nächsten Tag trafen wir uns zum Frühstück wieder mit Yitro. Danach bracht er uns zum Tor des Kibbuz. Von dort starteten wir am 08. Oktober 2010, dieses Mal an der Küste entlang nach Tel Aviv und Petah Tikwa zum Rückflug in die Heimat.
Ausklang: Herm. Ubbenjans – Heimatverein Börger
Jethro (Yitro) Jacobs veröffentlichte im Jahre 2004 in Zusammenarbeit mit Franz Josef Wiemer und Siegfried Hohmann in Bestwig-Nuttlar im Sauerland die notierten Lebenserinnerungen seines Vaters Erich Jacobs, die er nach seinem Tod zur Veröffentlichung freigab. Hier wird auch kurz seine Jugendzeit in Börger und Sögel behandelt.
Yitro zeigt, das sehr viele Mitglieder der jüdischen Familie Jacobs und christliche Deutsche friedlich zusammen gelebt haben, bis die unmenschliche Naziherrschaft tagtäglich immer mehr an Zuspruch gewann. Das endete mit unsagbarer Grausamkeit an dieser deutschen Volksgruppe. Viele Nachkommen der Familie David Jacobs aus Börger wurden in der NS-Zeit verschleppt, erlitten grausame Quälereien und wurden getötet.
Yitro mit Sohn und Enkel in Börger
Das Geburtshaus seines Großvaters wollte Yitro Jacobs einmal sehen, nachdem die Lebenserinnerungen seines Vaters Erik Jakobs 2004 im Sauerland veröffentlicht wurde und man immer mehr Kontakte nach Deutschland gewann. Von Köln und dem Sauerland kommend, ging die Reise am 6. Nov. 2011 nach Sögel und Börger.
Hier zeigten sich besonders die Enkel von der Vielzahl der noch vorhandenen Grabstellen der Vorfahren (9 Generationen auf dem jüdischen Friedhof Sögel), begeistert. Tief in die Geschichte tauchten sie auch, als sie das Geburtshaus des Ururgroßvaters fanden.
Nach einem kurzen Gedankenaustausch in Börger, an dem auch Holger Lemmermann Sögel, und Gertrud Althaus Münster, teilnahmen, ging die Reise über Hannover weiter nach Kassel und Markt Fischach um Deutschland und die Gebiete kennenzulernen, wo weitere Vorfahren gelebt haben.